Mütter: Ein Blick auf Medien, Normen und Gesellschaft

Mütter: Ein Blick auf Medien, Normen und Gesellschaft

Genderleicht & Bildermächtig, 04.05.24

Ich leiste täglich mindestens 7 Stunden Care-Arbeit. Ich tröste, ich kümmere, ich spiele, ich suche, ich wasche, ich sorge mich, ich räume auf, spüle ab und schmiere ein Brot. Das sind existenzielle Aufgaben, die ich für meine Familie leiste. Diese Arbeit wird nicht vergütet. Diese Arbeit ist in der Mehrheit immer noch weiblich gelesen. Es ist immer noch die Mehrheit aller Frauen, die sich der Care-Arbeit widmen.

Das per se ist erstmal nicht das Problem. Das Problem sind die Diskriminierungen, die wir Mütter dadurch erleben.

Was Mutterschaft mit uns macht

Mutterschaft ist ein soziales Konstrukt, das tief in die Strukturen unserer Gesellschaft eingebettet ist. Es geht über die biologische Tatsache der Geburt hinaus und wird durch eine Vielzahl kultureller, historischer und sozialer Faktoren geformt. Unsere Vorstellungen von Mutterschaft sind durch kulturelle Normen, gesellschaftliche Erwartungen und individuelle Erfahrungen geprägt. Dabei werden bestimmte Rollen und Verhaltensweisen mit der Mutterschaft verknüpft, die jedoch nicht von allen gleichermaßen erfüllt werden können. Mutterschaft wird so zu einem komplexen Netzwerk von Bedeutungen und Erwartungen, das die Identität von Menschen maßgeblich beeinflusst und gleichzeitig von ihnen geprägt wird.

Als ich das erste Mal Mutter wurde, wurde ich durch das Ideal der „perfekten Mutter“ beinahe aufgefressen. Die Vorstellung, dass eine Mutter in jeder Hinsicht für ihre Kinder sorgt, dabei stets geduldig, liebevoll und opferbereit ist, niemals um Hilfe fragt, nie müde und erschöpft ist, ließ mich fast verzweifeln. Ich suchte die Schuld bei mir. Erschöpfung, Sorgen und gesellschaftliche Erwartungen gesellten sich mit an den Esstisch. Ich versuchte mich zu opfern und scheiterte kläglich. Tagtäglich.

Die gesellschaftlichen Strukturen geben Halt, gleichzeitig rissen mir die daran geknüpften Erwartungen den Boden unter den Füssen weg. Es ist kein individuelles Versagen, wenn eine Mutter nicht mehr kann, schreit und weint, erschöpft ist, keine finanziellen Rücklagen hat, in Teilzeit arbeitet oder Gewalt erfährt. Es ist vor allem strukturell bedingt und ich würde sogar behaupten, es ist in unserer Gesellschaftsform strukturell gewollt, diese Lebensrealitäten als menschliches Versagen abzuwerten.

Zum Geschlecht und beispielsweise der sozialen Herkunft kommt die Rolle der Mutter hinzu, die eine weitere Diskriminierungsebene darstellen kann. Umso marginalisierter Menschen und ihre Lebensmodelle sind, desto mehr Diskriminierung erfahren sie. Deshalb ist es auch so wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Mit Prozessen der strukturellen Ungleichheit im Allgemeinen und auch mit intersektionalen Diskriminierungsformen. Es trifft ausgerechnet uns Mütter.

Motherhood Lifetime Penalty, Altersarmut, Teilzeitfalle, finanzielle Abhängigkeit das sind nur einige Stichworte, die struktureller Ungleichheit gegenüber Carepersonen einen Namen geben.

Als Familienfotografin und Soziologin habe ich mich entschieden, nicht den medialen Konstrukten von Mutterschaft und Care zu folgen, sondern diese dokumentarisch aufzuarbeiten und zu dekonstruieren. Auch für mich selbst. Denn auch ich und meine tägliche Care-Arbeit war nicht zu sehen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Mein Anspruch als Fotografin

Ich möchte Lebensrealitäten nahbar und zugänglich machen und so auch auf strukturelle Ungleichheit aufmerksam machen. Ich möchte, dass Menschen meine Fotografien anschauen und genau darüber nachdenken, was es mit ihnen macht. Welche Privilegien sie haben, welchen Kontext sie sehen und vor allem, welche Erkenntnisse sie für sich selbst finden. Als Bildschaffende möchte ich ganz behutsam mit diesem Medium umgehen und bei der Reflexion stets auch meine eigene Stellung in der Gesellschaft hinterfragen.

Als Fotografin stehe ich dabei immer vor der Herausforderung, strukturelle Ungleichheiten aufzeigen zu wollen, ohne Stereotype zu reproduzieren. Es ist wichtig, sensibel mit den Geschichten und Erfahrungen der Menschen umzugehen, die ich fotografiere, und ihre Perspektiven authentisch zu repräsentieren. Gleichzeitig will ich auch neue Lebensmodelle und andere Sichtweisen zeigen. Deshalb fotografiere ich in meiner fortlaufenden Serie „M*thers“ Care-Personen, die sich in vielerlei Hinsicht mit der Care-Frage auseinandersetzen.

 

Hier stehen traditionelle Mütter, Nicht-Mütter, Mütter, die ihre Kinder verloren haben, pflegende Mütter, Co-Mütter, alleinerziehende Mütter, queere Mütter und Menschen, die sich die Frage nach Kindern stellen, nebeneinander. Menschen, die diese Wörter „Mutterschaft und Care“ auf ganz unterschiedliche Weise mit Leben füllen. Es gilt, auch deren Lebensrealitäten und Geschichten zu erzählen, sie sichtbar zu machen. Anzuerkennen.

 

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